Die Trimurti oder Warum Zerstörung ein schöpferischer Akt ist
Erinnerst Du Dich, wie Du als Kind Bauklotz auf Bauklotz gestapelt hast, um einen möglichst hohen Turm zu bauen? Und erinnerst Du Dich auch daran, diesen dann genussvoll umzuwerfen? Oder hast Du selber Kinder und kannst dieses Schauspiel regelmäßig beobachten? Bauen und Zerstören, Bauen und Zerstören, … – als Kind macht beides wahnsinnig viel Spaß. Und ein Kind hat gar keine Frage über diesen Prozess der Zerstörung als schöpferischer Akt.
Denn der gebaute Turm hat ja die Funktion, umgestoßen zu werden (wofür brauchte man ihn denn sonst?) und es ist ja auch irgendwie klar, dass sie gar nicht mehr bauen können, wenn sie den Turm nicht umstoßen. Sie brauchen schließlich wieder neue Bauklötze.
Vom Bauklotz zum Hinduismus
Dem Bild des stapelnden und umwerfenden Kindes folgend finde ich das Konzept der Trimurti aus dem Hinduismus spannend.
Es ist die konzeptionelle Einheit des dreiseitigen kosmischen Prinzips oder die göttliche Drei-Einheit von Brahma, Vishnu und Shiva. Brahma steht in dem Fall für Erschaffung (Generation), Vishnu für Erhalten (Operation) und Shiva für Zerstörung (Destruction). Erschaffen, erhalten und zerstören bedingen einander. Ohne das eine, keines der anderen.
Kinder leben also schon einen Großteil des Trimurti beim täglichen Spiel mit den Bauklötzen: Ohne Zerstörung gibt es keine Möglichkeit, Neues zu erschaffen. Allerdings fehlt im Kinderspiel das Erhalten – was für Kinder irrelevant ist, denn mit dem stehenden Bauklötzeturm können sie nichts anfangen und der wird schnell langweilig. Entsprechend kurz ist die Zeitspanne, bis der Turm wieder fällt, damit sie wieder aktiv werden können.
Das Konzept der Trimurti kommt aus einer anderen Kultur und scheint deswegen vielleicht weit hergeholt. Wenn wir es aber auf die Natur übertragen, sehen wir genau DAS jeden Tag aufs Neue und wir stimmen dem selbstverständlich zu. Ohne Herbst und Winter gäbe es keinen Frühling und Sommer. Ohne das Sterben von Pflanzen und damit das Düngen der Erde und das Weitergeben der Samen würden keine neuen Pflanzen entstehen und können wir keine Früchte ernten. Und selbst bei uns Menschen stimmen wir einer grundlegenden Wahrheit zu (auch wenn wir sie vielleicht nicht mögen): ohne Tod gäbe es keine Geburt und kein Leben.
Erhalten – des Deutschen höchste Tugend
Kleinen Kindern ist das Erhalten also egal, weil langweilig und vielleicht auch weil sie keine Frage darüber haben (müssen), dass immer wieder genug da ist. Mit steigendem Alter verbringen wir immer mehr Zeit damit, zu erhalten, anstatt neu aufzubauen. Die Wichtigkeit des Erhaltens nimmt zu. Bis wir als Erwachsene das Erschaffen und Zerstören fast komplett mit dem Erhalten ersetzen. Es so belassen, wie es ist, scheint bei uns Deutschen fast schon die höchste Tugend. „Bleib, wie Du bist!“. „Das war schon immer so..“. Schon mal gehört? Nur einige der Aussprüche, mit denen wir uns wünschen oder gar einfordern, dass alles schön so bleiben soll, wie es ist.
Und wehe, bei uns Erwachsenen kommt ein Mensch, ein Schicksalsschlag oder eine Corona-Pandemie vorbei und wirft unseren sorgfältig erbauten und viele Jahre lang gehegten und gepflegten Turm aus Bauklötzen um. Dann ist das Jammern, die Ratlosigkeit und die Wut groß.
Was hinter diesen negativen Emotionen steckt ist schlicht und einfach Angst. Der uns Deutschen so wichtige Wert Sicherheit ist plötzlich in Gefahr. Wir verlieren die Kontrolle, das Leben, wie es bisher war, gibt es nicht mehr. Wir müssen wieder aktiv werden und wieder mit Bauen anfangen ohne zu wissen, ob der Turm, den wir dann bauen, wieder genauso schön, toll, hoch ist, wie der letzte. STRESS!
Erschaffen – Erhalten – Zerstören
Doch warum denken wir eigentlich, dass das Bewahren von Zuständen sicher ist? Warum haben wir keine Angst vor Stillstand? Warum stehen wir so auf Konstanz, sei es im privaten, gesellschaftlichen oder politischen Leben? Warum verzichten wir lieber auf Beschleunigung der Weiterentwicklung, als bekannte Pfade zu verlassen?
Ja, Konstanz hat in vielen Bereichen ihre Berechtigung. Was aber, wenn diese Corona-Krise viele Bauklötzetürme umwirft, die eh schon lange wackelten oder deren Funktion sich längst erfüllt hatte? Was wenn genau die Corona-Krise und all ihre auch unbequemen Konsequenzen – also ihre Zerstörung als schöpferischer Akt für uns alle dient?
Erschaffen, Erhalten, Zerstören! Wenn Du Beschleunigung in Dein Business oder neuen Schwung in Dein Privatleben kriegen willst, frage Dich:
- Was willst Du erschaffen? Jetzt wegen Corona oder schon lange und Du erlaubst es Dir jetzt erst, es zu denken.
- Was willst Du erhalten? Weil es eine Funktion hat, die für Dich, für Deine Kunden oder für die Menschen in Deinem Umfeld positiv ist.
- Was willst Du zerstören? Und damit Raum für Neues schaffen, Bauklötze für einen neuen Turm frei machen.
Und jetzt?
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Ich freue mich auf Dich!